Fetales Tabaksyndrom

Das Fetale Tabaksyndrom (FTS) bezeichnet die vorgeburtlich entstandene Schädigung eines Kindes durch Tabakrauchen oder Passivrauchen der Mutter während der Schwangerschaft.

Wird ein Embryo (bis zur neunten Schwangerschaftswoche) oder Fetus (ab der neunten Schwangerschaftswoche) während seiner Entwicklung Nikotin und anderen im Tabakrauch enthaltenen Giften ausgesetzt, so wird er in seiner Entwicklung beeinträchtigt und erfährt weitere Entwicklungsschädigungen, die sich im gesamten späteren Leben negativ bemerkbar machen können. In Extremfällen können diese Schädigungen sogar zur Früh- oder Fehlgeburt führen. Diese nachgeburtlich diagnostizierbaren Schäden fasst man unter dem Begriff Fetales Tabaksyndrom zusammen.

Geschichte

Im Jahr 1957 erschien die erste Studie, die ein verringertes Geburtsgewicht bei Kindern rauchender Mütter nachwies. In den folgenden Jahrzehnten erschienen fast 10.000 weitere medizinische Publikationen, die den Zusammenhang zwischen dem Rauchen und fetalem Wachstum und der weiteren kindlichen Entwicklung beschreiben. Jüngere Studien zeigen auch Verbindungen zwischen Tabakkonsum während der Schwangerschaft und Atemwegserkrankungen, Mittelohrentzündungen, Übergewicht, sowie Verhaltensauffälligkeiten und Sozialisierungsprobleme auf, zu denen auch Depressionen, Alkoholmissbrauch und Missbrauch anderer Substanzen zählen. Das Rauchen ist ebenfalls eine der Ursachen für Frühgeburten und Fehlgeburten, perinatale Sterblichkeit und plötzlichen Kindstod.

In einer 1985 erschienenen wissenschaftlichen Veröffentlichung erwähnten die Autoren Nieburg et al. erstmals einen neuen Oberbegriff für die vielfältigen Krankheitsbilder, die als gemeinsame Ursache das Rauchen während der Schwangerschaft aufweisen. Unter dem Begriff „Fetales Tabaksyndrom“ (FTS) gaben sie den vielfältigen Symptomen, die durch schwangerschaftlichen Tabakkonsum hervorgerufen werden, einen Namen.

Ursache

Die Ursache des FTS ist ausschließlich aktiver oder passiver Tabakkonsum der Mutter in der Schwangerschaft.

Prävention

Die einzig wirksame Vermeidung von tabakbedingten Schädigungen des ungeborenen Kindes ist der vollständige und konsequente Verzicht auf den aktiven und passiven Konsum von Tabak durch die Schwangere während der gesamten Dauer der Gestation. Die größte Schwierigkeit jedes Präventionsansatzes besteht darin, dass viele Frauen sich der Risiken des Tabakkonsums mit den möglichen Konsequenzen für das Kind nicht bewusst sind oder die Risiken unterschätzt werden.

Eine Studie der Universität Greifswald ermittelte, dass jede fünfte Schwangere in Deutschland bis zur Geburt raucht. Demzufolge steht Deutschland noch immer hinter Ländern mit intensiveren Tabakkontrollmaßnahmen und Präventionsbemühungen, wie Schweden oder den USA, zurück. Trotz aller Aufklärungsbemühungen gibt es immer noch Ärzte, die einen völligen Rauchverzicht während der Schwangerschaft ablehnen, weil das Ungeborene damit einen Nikotinentzug erleidet. Dabei wird vergessen, dass damit der Nikotinentzug nur auf den Zeitpunkt der Geburt hinausgezögert wird.

Die Präventionsbemühungen müssen deshalb vorrangig Aufklärungsarbeit über die verschiedenen Aspekte des FTS bei den Ärzten leisten, damit diese ihre schwangeren Patientinnen adäquat beraten können.

Gesundheitliche Gefährdungen

In Deutschland treten jährlich 500 bis 600 Todesfälle durch den plötzlichen Kindstod (SIDS) auf, wovon bis zur Hälfte der Fälle dem Passivrauchen zugeschrieben werden. Sowohl durch das Rauchen während der Schwangerschaft als auch nach der Entbindung ist das Risiko hierfür deutlich erhöht. Raucht eine Schwangere täglich mehr als zehn Zigaretten, so erhöht sich das Risiko für SIDS auf das Siebenfache. Das Risiko von SIDS bei elterlichem Tabakkonsum ist um das Zwei- bis Vierfache höher als in rauchfreien Haushalten.

In einer 2011 veröffentlichten Studie des University College London wurden 172 Forschungsarbeiten der letzten 50 Jahre analysiert. Dabei wurden 174.000 Fehlbildungen mit 11,7 Millionen Kontrollen verglichen. Das Ergebnis war, dass Rauchen in der Schwangerschaft das Risiko von Hand- und Fußfehlbildungen um 26 Prozent und das von Klumpfüßen um 28 Prozent erhöht. Gastrointestinale Fehlbildungen sind um 27 Prozent häufiger. Wenn die Mutter in der Schwangerschaft geraucht hat, traten Fehlbildungen des Schädels (Kraniosynostose) um 33 Prozent, Fehlbildungen an den Augen um 25 Prozent öfter auf. Um 28 Prozent erhöht sei das Risiko auf eine Spaltbildung an Lippe, Kiefer oder Gaumen. Das Risiko für Gastroschisis, eine Fehlbildung der Bauchwand mit dem Vorfall von Teilen des Magens oder Darms, ist um 50 % erhöht. Für andere Fehlbildungen wie einen angeborenen Herzfehler wurde kein erhöhtes Risiko gefunden.

In einer 2009 veröffentlichten gemeinsamen Studie mehrerer deutscher Universitäten, Krankenhäuser und Institute konnte anhand einer Gruppe von fast 6000 Kindern bis zum Alter von zehn Jahren nachgewiesen werden, dass Passivrauchen die Rate von Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsdefiziten und anderen Verhaltensauffälligkeiten signifikant erhöht. Es wurde dabei sowohl die pränatale als auch die postnatale Exposition mit Tabakrauch untersucht.

Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft geraucht hatten, haben nach einer Studie aus dem Jahr 2011 zufolge mindestens für die ersten acht Lebensjahre ein zehn bis 15 Prozent höheres Risiko von Herzkrankheiten.

Passivrauchen erhöht die Infektionsgefahr bei Kindern um 20–50 % und kann deren geistige Entwicklung stören, weil das heranwachsende Gehirn viel empfindlicher als das von Erwachsenen reagiert. Sogar eine Häufung von Hirntumoren wurde beobachtet.

Siehe auch

Weblinks

 


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