Einsamkeit führt zu psychosomatischen Krankheiten

Menschen mit wenigen sozialen Kontakten leiden häufiger an Schlafstörungen und tragen daher ein höheres Risiko an verschiedenen Leiden zu erkranken. Dies belegt Maria Nordin von der Umea University in Schweden in ihrer Dissertation. Den Grund dafür sieht Nordin in der Schwierigkeit Stress ohne soziales Umfeld zu bewältigen.

Psychotherapeuten und Psychologen aus Österreich und Deutschland bestätigen im Grunde diese Ergebnisse. Die Theorie erscheint jedoch einfacher als die Praxis tatsächlich ist. Wenige Freunde zu haben kann einen Menschen anfälliger für Stress machen, zu Schlafstörungen führen und letztendlich das Risiko einer kardiovaskulären oder psychosomatischen Erkrankung steigern. Depression, Angstzustände oder chronische Müdigkeit können die Folge sein. Begründet wird der Zusammenhang von Nordin durch den fehlenden sozialen und emotionalen Beistand, durch den ein Mensch Stress katalysieren kann. Hier soll es aber je nach Stressbewältigungsmodell Unterschiede geben.

Wie Nordin erklärt, gibt es mehrere Arten mit Stress umzugehen. Bei der 'Hidden Strategy' geht man beispielsweise Konflikten und Auseinandersetzungen absichtlich aus dem Weg. In Verbindung mit einem geringen sozialen Netzwerk kann diese Stressbewältigungsstrategie, vor allem bei Frauen, negative Effekte verursachen. Bei der 'Open Stress Management Strategy' hingegen greifen Menschen den Konflikt bewusst auf und bewältigen somit den Stress und kompensieren die sozialen Kontakte.

Tilmann H. Müller, Psychotherapeut in Münster, bestätigt durch seine klinischen Erfahrungen diesen Zusammenhang. "Wenn mehr Menschen da sind, mit denen man über Probleme reden kann, dann baut man automatisch Stress ab", erklärt Müller auf Anfrage von pressetext. Durch diese Ventilfunktion würde das Risiko einer psychosomatischen Erkrankung verringert werden. Aber selbst im Fall eines Fehlens dieser sozialen Netzwerke würde eine Erkrankung nur sehr langsam voranschreiten.

Josef Egger, Abteilungsleiter für Verhaltensmedizin, Gesundheitsmedizin und empirische Psychosomatik im LKH Graz, bestätigt ebenfalls die Ergebnisse von Nordin. "Die Nützlichkeit der sozialen Kontakte für die Umwelt- und Stressbewältigung hängt aber von der Qualität der Kontakte ab", bemerkt Egger im Gespräch mit pressetext. Qualitativ gute oder positive Kontakte würden für den Einzelnen eine 'Anti-Stress-Wirkung' darstellen, während negative Kontakte selbst zu Stressfaktoren werden. Darüber hinaus würde die Summe aller sozialen Kontakte, also der persönliche soziale Kontext, festlegen, was als generell positiv und was als negativ eingestuft wird. "Dies hat natürlich auch Auswirkungen, wie wir mit unserer Umwelt umgehen", so Egger.

Wie Müller bestätigt auch Egger, dass eine plötzliche und kurzfristige Isolation nicht sofort zu psychosomatischen Erkrankungen führen muss. "Bei einem Over-Crowding-Erlebnis beispielsweise zieht sich der Patient für einige Zeit bewusst zurück, um wieder zu sich zu kommen und die Erlebnisse zu verarbeiten", erklärt Egger im Gespräch. Für eine Erkrankung müsse auch ein Nährboden vorhanden und die persönliche Stressbewältigungsstrategie in dem Fall überfordert sein. "Darüber hinaus müssen die Ausgangssituation sowie die bisherigen Erfahrungen und Gewohnheiten berücksichtigt werden", erläutert Egger. So sei es für einen Mönch, der von Kindesalter an schon eher in sich gekehrt war, sogar befreiend, wenn er viel alleine und mit sich selbst beschäftigt ist. Ein Mensch der von Natur aus viel unter Menschen sein muss, um sich gut zu fühlen, wird mit einer derartigen Situation nur schwer zu Recht kommen.

Artikel vom 17. November 2006

 

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