Rauchverbot: Der Kampf geht weiter

Nun jubeln die Raucher, aber sie tun es verhalten und daran tun sie gut. Denn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnte sich für sie noch als Pyrrhussieg erweisen: Karlsruhe hat zwar die Nichtraucherschutz-Gesetze Berlins und Baden-Württembergs in Teilen für verfassungswidrig erklärt und die Eckkneipe als Wohnzimmer der Tabakkonsumenten unter Bestandsschutz gestellt.

Aber der gilt nur vorläufig. Denn das oberste Gericht hat auch betont, dass der Gesetzgeber aus Gründen des Gesundheitsschutzes ein radikales Verbot erlassen könnte - ohne Ausnahmen für Festzelte, Nebenräume und geschlossene Gesellschaften. Nun fühlen sich beide Seiten bestätigt. Geholfen ist damit niemandem. Im Gegenteil: Der Kampf um die Lufthoheit an den Stammtischen geht jetzt erst richtig los. Karlsruhe hat sich also vor einem klaren Urteil gedrückt und den schwarzen Peter an die Politik zurückgereicht. Die soll entscheiden, wie rigoros sie den Nichtraucherschutz verfolgt. Sie darf nur niemanden benachteiligen. Ausnahmsloses Rauchverbot in allen Lokalen - oder freie Wahl für die Kneipen, die keinen separaten Nebenraum als Raucherzimmer ausweisen können und damit gegenüber der Großgastronomie das Nachsehen haben. Das ist der Kern des Urteils. Und nun?

In Baden-Württemberg streiten sich bereits die Regierungsparteien CDU und FDP über das weitere Vorgehen. Doch statt die Gaststätten erneut zum Schauplatz des großen Showdowns zwischen Rauchern und Nichtrauchern auszurufen, sollte sich die Koalition besser an der vom Gericht verordneten Übergangslösung orientieren, die bis zur Verabschiedung neuer, verfassungskonformer Gesetze gilt: Einraumkneipen unter 75 Quadratmetern dürfen sich als Raucherkneipen deklarieren. Allerdings muss der Eintritt für Jugendliche unter 18 Jahren untersagt werden. Auch Discos dürfen einen Raucherraum anbieten, wenn dort nur Erwachsene Zutritt haben. Den Jugendschutz schreibt Karlsruhe zu Recht groß.

Die Regelung ist angelehnt an die spanische Lösung. Sie lässt den Nichtrauchern durch die Vielzahl größerer Lokale genügend Luft zum Atmen - und gleichzeitig den Freunden der finanziell bedrohten Eckkneipen Spielraum. Diese Lösung wird natürlich dazu führen, dass die meisten Eckkneipen wieder Aschenbecher aufstellen. Das ist aus Sicht des Gesundheitsschutzes ein Rückschritt. Schließlich gefährden Raucher im Gegensatz zu Trinkern nicht nur sich, sondern auch andere. Aber viele Kleinstlokale werden fast ausschließlich von Tabakfreunden frequentiert und haben als Wohnzimmer des kleinen Mannes auch eine soziale Funktion in einer zunehmend individualisierten Welt.

Jeder Nichtraucher hat die Wahl, sie zu besuchen oder auch nicht. Wer sich fürs Passivrauchen entscheidet, muss nicht noch vor sich selbst beschützt werden. Wer keinen Fußball mag, geht ja auch nicht ins Stadion. So könnte ein Kompromiss zwischen dem wichtigen Gut Gesundheitsschutz und der Selbstverantwortung mündiger Bürger aussehen. Ein allzu rigider staatlicher Schutz der Menschen vor sich selbst führt dagegen zur, wenn auch gut gemeinten, schleichenden Entmündigung. Schon jetzt grassiert die Verbieteritis. So bereitet Baden-Württemberg gerade das nächtliche Alkoholverkaufsverbot vor, das mit Sicherheit ebenfalls in Karlsruhe landen wird.

Dass die Politik den Nichtraucherschutz im Gaststättenbereich geregelt hat, müssen indes die Wirte selbst verantworten. Der Gesetzgeber ist erst aktiv geworden, als die Gastronomie ihre freiwillige Selbstverpflichtung, in Speiselokalen genügend Nichtraucherplätze zu schaffen, nicht erfüllt hat. Auch deshalb sollte der Gastroverband Dehoga nicht zu laut jubeln.

Südwest Presse
Artikel vom 30. Juli 2008

 

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