Globaler Kampf gegen Fettsucht

Im globalen Kampf gegen die Fettsucht gibt es zwei Neuigkeiten: Ein anfangs viel versprechendes Medikament von Merck erwies sich im klinischen Test als wirkungslos und Wissenschaftler der Brookhaven National Laboratories haben festgestellt, dass Fettleibige so süchtig nach Lebensmittel sind, wie Drogenabhängige nach ihrer Droge. Beide der Feststellungen sind zwar nicht unmittelbare Erfolge, dennoch hoffen die Forscher daraus neue Erkenntnisse für zukünftige Ansätze zu finden.

MK-0557 heißt das Präparat, das Merck auf den Markt bringen wollte. Insgesamt wurde zwar schon eine Wirkung verzeichnet, allerdings nahmen jene Probanden, die das Medikament einnahmen, im Vergleich zu jenen, die ein Placebo verabreicht bekamen, nur 1,6 Kilogramm innerhalb eines Jahres ab, berichtet das Wissenschaftsmagazin Nature. Kritisch beurteilt das Magazin die Fülle von untauglichen Medikamenten, die zum Teil schwere Nebenwirkungen haben. MK-0557 war allerdings im ersten Versuch sehr erfolgreich, denn die Substanz, hat im Hirn an jenes Protein angedockt, das es auch blockieren sollte - das appetitanregende Molekül Neuropeptid-Y. Mäuse, die diese Substanz erhielten, zeigten deutlich weniger Appetit. Einziger Vorteil des Präparats beim Menschen war, dass es keine schweren Nebeneffekte gab. Für den Hersteller Merck ist das Produkt allerdings wertlos.

Der Wissenschaftler Steven Heymsfield von Merck sieht das Problem beim Präparat MK-0557 und auch bei anderen Medikamenten gegen Fettsucht in der Komplexität der Menschen zum Thema Essen. Die Unterbindung eines Pfades habe offensichtlich deshalb so wenig Wirkung, weil es offensichtlich andere Back-up-Systeme gibt, die das ausgleichen. Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch der Neurologe Michael Cowley von der Oregon Health & Science University. "Monotherapien werden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht den gewünschten Erfolg bringen. Der menschliche Körper verfügt über gut entwickelte Systeme und evolutionäre Gründe, sich zu überessen. Das bedeutet, dass es wahrscheinlich multiple, parallele Systeme gibt, die dafür sorgen, dass wir ordentlich zunehmen."

Um den inzwischen mehr als eine Mrd. Fettleibigen der Erde zu helfen, greifen die Forscher zu allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Das Forscherteam um Gene Jack-Wang hat sich dafür interessiert, an welchen Teil des Gehirns die Meldung der Sättigung oder des Hungers bei Fettleibigen geht. Dazu haben sie Probanden einen radioaktiven Zuckerwürfel gegeben und mit einem Scanner den Weg des Zuckers bis zur Metabolisierung im Gehirn verfolgt. Bekannt war, dass der Vagus-Nerv, der vom Bauch zum Hirn läuft, eine wesentliche Rolle spielt und dass der Hypothalamus das "Hungerzentrum" des Gehirns ist. Neu aber war, dass die Forscher bei der Magenstimulation auch eine aktivierte Hippocampus-Region im Hirn vorfanden. "Diese ist für Plastizität, Lernen und Gedächtnis verantwortlich, wird aber auch bei Drogensüchtigen aktiviert, wenn es darum geht, mehr und mehr zu bekommen", erklärt der Forscher. Es sei ähnlich wie das Bedürfnis nach Kokain bei Süchtigen. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass bei Fettleibigen Essen zur Sucht wird - ähnlich wie jenes Suchtverhalten bei Drogen.

"Das ist auch ein Grund dafür, warum man Fettleibigkeit so schwer bekämpfen kann", meint der Wissenschaftler. Die Entscheidung zum Essen betrifft Emotion und das kognitive System gleichzeitig. "Die Studie zeigt damit, dass das Gehirn versucht den Körper zu manipulieren und nicht umgekehrt." Es könne zum Beispiel sein, dass Fettleibige immer noch ein Hungergefühl verspüren, obwohl sie eine Nahrungsmenge zu sich genommen haben, die andere Menschen vollständig sättigen würde. "Die Studie macht auch deutlich, dass man keine magische Wunderwaffe gegen Fettleibigkeit finden kann", so Wang.

Artikel vom 5. Oktober 2006

 

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