Cannabis und Straßenverkehr

Dieser Artikel beschäftigt sich mit Cannabis und Straßenverkehr, alle anderen Aspekte finden sich im Hauptartikel Cannabis. Wer Anlass zum Verdacht gibt, den Konsum von Cannabis und das Führen eines Fahrzeugs nicht strikt zu trennen, muss in Deutschland mit Entzug des Führerscheins rechnen und zwar auch dann, wenn er ohne erkennbare Rauschwirkung fährt.

Die Argumentation beruht hauptsächlich auf Expertenmeinungen, nur auf wenigen Studien. Bislang gab es weltweit nur wenige Studien über den Einfluss von THC auf das Autofahren, die nicht im Labor, sondern im Verkehr durchgeführt wurden.

International

Eine Studie wurde 1993 von der nationalen US-Verkehrsbehörde bei der Uni Maastricht in Auftrag gegeben. Sie ergab, dass sich mäßiger THC-Einfluss auf das Fahrverhalten positiv auswirkt, weil sich die Fahrer defensiver verhalten. Die Studie kam allerdings sofort unter Verschluss.

Drei Jahre lang wurden in Zusammenarbeit zwischen der Universität Adelaide und dem australischen Verkehrsministerium Autounfälle mit Schwerverletzten und Toten auf den Zusammenhang mit Drogeneinwirkung ausgewertet. Dabei wurde Nüchternheit mit dem Faktor 1 belegt - während ein Blutalkoholgehalt von 0,6 bis 1,0 Promille die Unfallgefahr um das 4,2-fache erhöht, wurde festgestellt, dass Fahren unter THC-Einfluss nur den Faktor 0,6 hatte. Studien der University of Michigan und im Auftrag des britischen Transportministeriums kamen zu ähnlichen Ergebnissen.

Erst kürzlich wurde in Frankreich die große, epidemiologische Studie veröffentlicht, die nahelegt, dass unter Cannabiseinfluss das Risiko einen tödlichen Unfall zu verursachen, geringer ist als unter Alkoholeinfluss.

Deutschland

Die bisherige Praxis der Verkehrsbehörden, Führerscheininhabern, die bei einer Personenkontrolle mit Cannabis-Produkten erwischt wurden, obwohl sie gar kein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis geführt hatten, ein Drogenscreening anzuordnen, wurde am 1. August 2002 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 21. Dezember 2004 die so genannte "Nullwertgrenze" (für den zulässigen THC-Anteil im Blut eines Kraftfahrers) bei der Auslegung des § 24a Abs. 2 StVG für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber ist beim Erlass des StVG davon ausgegangen, dass die Nachweisdauer von Betäubungsmitteln auch der Wirkungsdauer entspricht. Diese Ansicht ist durch den technischen Fortschritt überholt worden, da die Nachweisdauer von THC im Blut inzwischen bis zu mehreren Tagen bzw. sogar Wochen betragen kann. Eine (mögliche) Wirkung ist nach Ansicht der Grenzwertkommission, aber erst ab einer Konzentration von 1 ng/ml denkbar. In einer von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie von 1998 (Prof. Dr. Schulz / Uni Würzburg) kann man dazu lesen: "Im THC-Konzentrationsbereich 7-15 ng/ml sind nach vorliegenden Erkenntnissen für das Verkehrsverhalten wesentliche Leistungseinschränkungen zu erwarten". Auch Prof. Käferstein von der Rechtsmedizin Köln führte dazu im Kongressbericht der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin e.V. 2003 aus: "Mit Sicherheit keinen Zweifel an einem zeitnahen Konsum kann man bei THC-Konzentrationen über 10 ng/ml haben [...]".

Da die Auslegung des §24a StVG verfassungskonform erfolgen muss, ist davon auszugehen, dass in Zukunft Gerichte nur noch bei einer über 1 ng/ml liegenden THC-Konzentration im Blut verurteilen werden. Damit gibt es in Deutschland zum ersten Mal so etwas wie eine "Promille-Grenze" für Kiffer. Theo Pütz vom Fachreferat "Drogen und Verkehrssicherheit" hat dazu eine eigene Meinung: "Der vorgeschlagene Grenzwert der Grenzwertkommission von 1 ng/ml Blut basiert nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern auf der Sturheit einzelner Bundesländer, die sich gegen einen höheren Grenzwert ausgesprochen haben, ohne belegbare Erkenntnisse darüber, dass ab diesem Wert eine leistungseinschränkende Wirkung vorliegt."

In Deutschland untersuchte das Institut für Rechtsmedizin der Universität Rostock den Drogenkonsum von unfallbeteiligten Jugendlichen in den Jahren 1998 und 1999. Dabei wurden 500 Blutproben von unfallbeteiligten Jugendlichen unter 25 Jahren ausgewertet, die von der Polizei wegen Verdachts auf Alkoholbeeinträchtigung eingereicht worden waren. Von den Proben enthielten 93,4% Alkohol, davon 15,2% Alkohol und illegale Drogen. Von den getesteten Proben enthielten 12,4% neben Alkohol Hinweise auf Cannabiskonsum, wobei in 28% dieser Fälle die Wirkstoffkonzentration so hoch war, dass die Getesteten zum Zeitpunkt des Unfalls als unter akutem Drogeneinfluss stehend galten (2 ng/ml). 87% der Proben stammten von KFZ-Lenkern. Die Gruppe mit Alkohol und illegalen Drogen verursachte zu 51,1% Unfälle mit Personenschaden, die Gruppe mit Alkohol verursachte in 41,2% der Fälle Personenschäden. Bei den Sachschäden war es umgekehrt. Nur Sachschaden erzeugte die rein alkoholisierte Gruppe in 54% der Fälle, die Gruppe mit Alkohol und illegalen Drogen zu 42,4%.

 

  Gruppe nur Alkohol Gruppe Alkohol und Drogen
Sachschaden 54 % 42,4 %
Personenschäden 41,2 % 51,1 %

Siehe auch

  • Gutachten von Prof. Dr. Hans-Peter Krüger (Uni Würzburg)
  • Gutachten von Prof. Dr. G. Berghaus (Uni Köln). Auf Wunsch des Bundesverfassungsgerichts(!) ins Internet gestellt.
  • Vortrag von Prof. Dr. Rolf Aderjan (Uni Heidelberg)
  • PDF von Prof. Dr. Rolf Aderjan (Uni Heidelberg)
  • D. Rentsch/V. Weirich/R. Wegener, Zum Drogenkonsum von verunfallten Jugendlichen in Westmecklenburg, 1998, 1999; abgedruckt in Blutakohol 2000, S. 293-307

Österreich

Gemäß § 5 Abs. 1 StVO (Straßenverkehrsordnung 1960) sind das Lenken und die Inbetriebnahme von Fahrzeugen unter Beeinträchtigung von Cannabis verboten. Zuwiderhandeln wird gemäß § 99 Abs 1b StVO als Verwaltungsübertretung mit Geldstrafe von 581 Euro bis 3 633 Euro bestraft, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen. Außerdem wird dem beeinträchtigten Lenker gemäß § 7 FSG (Führerscheingesetz 1977) die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen. Um die Lenkberechtigung wieder zu erlangen, muss sich der beeinträchtigte Lenker gemäß § 14 Abs. 3 FSG-GV (Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung) fachärztlichen und verkehrspsychologischen Untersuchungen unterziehen und seine Verkehrszuverlässigkeit nachweisen.

Als Cannabis-Beeinträchtigung gilt das Vorhandensein von THC im Blut, was bei begründetem Verdacht im Rahmen einer amtsärztlichen Untersuchung festgestellt werden kann. Seit 2005 gibt es eine rechtliche Grundlage für den Einsatz von mobilen "Speichelvortestgeräten", mit denen der Speichel von Lenkern auf Spuren von Kokain, Opiaten und Cannabis untersucht werden kann. Laut einer vom Innenministerium in Auftrag gegebenen Studie liefern die Testgeräte aber gerade bei Cannabis keine zuverlässigen Ergebnisse. Eine akute Beeinträchtigung lasse sich mit einem 45-minütigen verkehrspychologischen Test relativ gut feststellen, so der Leiter der Studie, DDr. Battista. Wenn ein Drogenlenker nicht offensichtlich beeinträchtigt ist und so das Misstrauen der Polizisten erregt, hat er aber gute Chancen, nicht erkannt zu werden, in diesem Fall erfolgt auch keine Blutabnahme. Wer im Straßenverkehr als beeinträchtigt erkannt wird, muss zwar gemäß § 5 Abs. 12 StVO nicht mit einer Strafanzeige rechnen, jedoch wird der Umstand der Gesundheitsbehörde des Wohnbezirkes gemeldet, die daraufhin weitere Maßnahmen, in der Regel die bereits erwähnten gesundheitsbezogenen Maßnahmen, anordnet.

Wer als beeinträchtigter Verkehrsteilnehmer (Lenker oder Fußgänger) einen anderen im Straßenverkehr tötet, ohne vorsätzlich zu handeln, kann wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81 Abs. 1 Z 2 StGB) mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden. Wer als beeinträchtigter Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr einen anderen verletzt, ist wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 88 Abs. 3 StGB) mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe zu bestrafen, hat die Tat jedoch eine schwere Körperverletzung zur Folge (§ 88 Abs. 4 StGB), mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren.

Schweiz

In der Schweiz gilt seit dem 1. Januar 2005 eine Nulltoleranz für Cannabis im Straßenverkehr.

Frankreich

Seit dem 03.02.2003 wird in Frankreich die Teilnahme am Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss mit zwei Jahren Gefängnis und 4.500 Euro Geldstrafe bestraft.

Literatur


Dieser Text ist aus der Wikipedia - zum Original, Autoren.
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