Glücksspielsucht macht kriminell

Die meisten Menschen, die vom Glücksspiel nicht mehr loskommen, verkaufen zur Finanzierung ihrer Sucht zunächst kleinere Wertgegenstände. Dann versilbern sie schrittweise ihr Eigentum bis hin zum Auto oder gar dem eigenen Haus. Oder sie machen Schulden, bestehlen Familienmitglieder, betrügen alte Menschen oder ihren Arbeitgeber. Und einige greifen wie Thomas Feldhofer auch zur Gewalt - vom Handtaschenraub angefangen bis hin zum Banküberfall.

Die Schuldenfalle ist dabei ein besonderes Problem. Zwei aktuelle Studien zeigen auf, dass nur etwa jeder Fünfte pathologische Spieler davon (noch) nicht betroffen ist. Gut jeder Dritte hat Schulden bis zu 10.000 Euro. Bei einem weiteren Fünftel sind es 10.000 bis 20.000 Euro und etwa jeder Vierte ist mit mehr als 20.000 Euro verschuldet. Sehr häufig ist damit ein Betrug verbunden, weil die Spielsüchtigen ihren Darlehensgeber über den Zweck ihres hohen Geldbedarfes täuschen.

Zur Veranschaulichung nachfolgend drei aktuelle Beispielfälle:

  1. Im August 2011 fährt der hochverschuldete Landrat von Regen absichtlich gegen einen Baum. Abschiedsbriefe zeigen, dass seine Spielsucht ihn zum Betrug gegenüber Darlehnsgebern veranlasst und ihn in den Selbstmord getrieben hat.
  2. Am zweiten Weihnachtsfeiertag 2011 stirbt im niederbayerischen Hauzenberg der Kassenleiter der Stadt an einem Herzinfarkt. Erst danach entdeckt man, dass er seit dem Jahr 2000 2,1 Millionen Euro der Stadt veruntreut hat. Durch Besuche in tschechischen Casinos war er spielsüchtig geworden.
  3. Am 19. Februar 2012 nimmt die Polizei nach monatelanger Flucht Thomas Feldhofer fest - laut BILD "Deutschlands meistgesuchter Verbrecher". Nach Erkenntnissen der Polizei handelt es sich bei ihm um einen "Zocker", der seinen Lebensstil als Spieler immer wieder durch brutale
    Überfälle finanziert hat.

Verlässliche Zahlen über das wahre Ausmaß der aus der Glücksspielsucht erwachsenden Kriminalität gibt es leider nur mit erheblichen Einschränkungen, weil sowohl die Polizei als auch die Wissenschaft nur sehr begrenzte Möglichkeiten haben, hier Licht ins Dunkel zu bringen. Anders als bei einem Täter, der ersichtlich unter Alkoholeinfluss steht, muss die Polizei bei spielsüchtigen Tatverdächtigen darauf hoffen, dass sie oder ihnen nahestehende Personen von sich aus das wahre Tatmotiv der kriminellen Geldbeschaffung offenbaren.

Für Wissenschaftler eröffnen sich hier allerdings dann Chancen, verlässliche Informationen zu erhalten, wenn sie pathologische Spieler aus Selbsthilfegruppen oder aus Therapiegruppen anonym befragen können. Die Ergebnisse solcher Untersuchungen zeigen übereinstimmend, dass etwa die Hälfte dieses Personenkreises sich das Geld zum Spielen auf illegale Weise beschafft hat. Dabei stehen die heimlichen Delikte (Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Untreue) klar im Vordergrund. Raub und Erpressung sind eher die Ausnahme.

Beachtung verdienen in diesem Zusammenhang die Daten einer 2010 durchgeführten anonymen Repräsentativbefragung von 14.600 14- bis 64-Jährigen. Wissenschaftler der Universitäten Lübeck und Greifswald haben im Wege dieser telefonisch durchgeführten Interviews herausgefunden, dass in Deutschland ca. 480.000 Personen (0,9 %) gegenwärtig glücksspielsüchtig sind oder es zumindest im Laufe ihres Lebens waren. Selbst wenn man unterstellt, dass Menschen, die den Weg zu Selbsthilfe- oder Therapiegruppen gefunden haben, eine beachtliche Leidensgeschichte aufweisen und deshalb wohl eine besonders ausgeprägte Kriminalitätsbelastung aufweisen, ist die extrem hohe Zahl von pathologischen Spielern aus kriminologischer Sicht als starkes Alarmsignal zu bewerten.

Angesichts des extremen Geldbedarfs, der aus der Glücksspielsucht erwächst, muss davon ausgegangen werden, dass mindestens jeder Vierte der betroffenen Menschen und damit mindestens 120.000 Personen durch ihre Spielsucht auf kriminelle Weise erheblichen Schaden angerichtet haben.

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Fachbeirat Glücksspielsucht
Artikel vom 21. März 2012

 

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