Militär-Drill für Internetsüchtige

Im Kampf gegen die Internetsucht setzt China auf ein Boot-Camp nahe Peking. Das Internet Addiction Treatment Center (IATC) verwendet eine Auswahl therapeutischer und militärischer Methoden, um die Abhängigkeit von Computerspielen, Internet-Pornographie, Cybersex und Chats zu kurieren. Für Michael Musalek, Leiter des Anton-Proksch-Instituts für Suchtforschung (API), ist Chinas Weg zu hinterfragen: "Boot heißt jemandem einen Fußtritt geben. Eine Krankheit kann aber nicht durch ein Besserungslager geheilt werden. Es zeigt sich, dass in vielen Ländern Suchterkrankungen nicht als Krankheit, sondern als Vergehen betrachtet werden."

Im chinesischen IATC ist dies der Fall - Internetsüchtige werden wie Verbrecher behandelt. Für die meist männlichen Jugendlichen im Alter von 14 bis 19 Jahren beginnt der Tag um 6:15 Uhr mit Fitness-Übungen und Langzeitmärschen. Simulierte Kriegsspiele mit Laserpistolen gehören wie das Gebrüll der Drill-Sergeants zum Therapie-Alltag. Seit der Eröffnung des Camps vor drei Jahren wurden 1.500 Chinesen behandelt, 70 Prozent davon sollen die Sucht erfolgreich bekämpft haben. Der Suchtexptere vom API bezweifelt die Effizienz der Maßnahmen im Boot-Camp: "Viel wichtiger ist es, mit Verständnis und adäquaten therapeutischen Behandlungen zu reagieren. So ist eine Heilung viel wahrscheinlicher", sagt Musalek im Gespräch mit pressetext.

Im Zeitalter intensiver Vernetzung werden auch in China Prävention und Aufklärung immer wichtiger. Der häufigste Auslöser für Internetsucht ist laut Xu Leiting, einem Psychologen des Boot-Camps, die hohe Erwartungshaltung der Eltern gegenüber den Jugendlichen und der Wettbewerb um eine gute Berufsausbildung. Viele sehen in der Flucht in eine virtuelle Welt einen Weg den realen Problemen und Ängsten zu entkommen. Auch in Österreich spielt dies der Sucht in die Hände: Musalek schätzt die Zahl der Internetsüchtigen auf 40.000 bis 60.000 und rechnet mit einem weiteren Anstieg, da immer mehr Menschen direkten Zugang zum Internet haben. Als erste Reaktion hat das API eine eigene Arbeitsgruppe zur Erforschung der Internetsucht organisiert.

Artikel vom 13. März 2007

 

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