Alkohol am Steuer: Abschreckung ist nutzlos

Autofahrer, die sich auch nach dem Konsum von Bier oder Wein hinters Steuer setzen, lassen sich von Bildern der schrecklichen Folgen von Alkoholunfällen nicht beeindrucken.

"Weder entsprechende Medienkampagnen noch Verkehrscoaching ändern das Verhalten", erklärt Werner Ortner, Leiter der Fachsektion Verkehrspsychologie beim Berufsverband der Psychologen. Sechs renommierte verkehrspsychologische Einrichtungen haben dazu eine entsprechende Studie durchgeführt.

Verschärfung ohne Wirkung

Schuld daran ist das Verdrängen. "Aggressive Inhalte verdrängen wir aus Selbstschutz aus dem Bewusstsein, sobald sie unserem Verhalten widersprechen", so Ortner. Nur so gelinge es, täglich in der Zeitung von Unfällen mit Alkohol zu lesen und trotzdem Lust am Autofahren zu verspüren. Ausreden werden gesucht, etwa "es wird eh nix passieren", "andere tun es ja auch" oder "ist ja nur ein kurzes Stück". "Man schützt sich damit vor Schuldgefühlen, genau wie sich Raucher trotz erwiesenem Zusammenhang von Rauchen und Lungenkrebs gerne an Bekannte erinnern, die trotz Zigarette alt wurden." Zusätzlich wirkt der Alkohol bereits ab geringen Mengen besonders auf das Großhirn und vermindert somit die Kritikfähigkeit und den klaren Kopf.

Anlass der Studie ist die Strafverschärfung für Alkohol-Fahrer, die in Österreich vor einem Jahr in Kraft getreten ist. So droht seither bei 0,8 bis 1,19 Promille Führerscheinentzug und ein vierstündiges Verkehrscoaching, bei dem abschreckende Unfallbilder gezeigt werden. Erst von 1,2 bis 1,6 Promille gibt es zusätzlich Nachschulungen mit Verkehrspsychologen im Ausmaß von 15 Einheiten, darüber hinaus zusätzlich auch eine amtsärztliche und verkehrspsychologische Untersuchung. Eine Medienkampagne sollte die abschreckende Wirkung erhöhen. Ohne Erfolg, wie die Forscher in einer Befragung zeigten, und auch die Statistik gibt ihnen Recht. Die Verkehrsunfälle gingen insgesamt um 5,4 Prozent zurück, jene mit Alkohol im Spiel nur um 1,3 Prozent.

Positive Ansätze sinnvoller

Die Experten drängen darauf, dass Psychologen schon ab 0,8 Promille eingebunden werden. "Viele Lenker mit diesem Alkoholgehalt haben bereits eingeschliffene Trinkfahrgewohnheiten. Manche sind gesellschaftliche Trinker, bei manchen gibt es das Problem über den Straßenverkehr hinaus. Man muss hier natürlich auf den Einzelnen eingehen", erklärt Ortner. Der Verkehrspsychologe könne mit seinem "speziellen Handwerkszeug" einen Reflexionsprozess bei den Kursteilnehmern starten und eine entsprechende Einstellungs- und Verhaltensänderung bewirken.

Gesellschaftliches Umdenken müsse jedoch umfassender sein und schon im Kindes- und Jugendalter ansetzen. "18-Jährige verstehen nicht, dass Alkohol zwar stets bagatellisiert wurde, in Verbindung mit dem Auto jedoch plötzlich ein Problem darstellt", so der Verkehrspsychologe. Zielführend sei Suchtprävention, die den Schwerpunkt auf positive Aspekte legt, nach dem Motto "cool, lässig, erfolgreich und attraktiv ? das ohne Alkohol!" Bei der Jugendarbeit und im Gesundheitsbereich habe man dies zum Glück schon erkannt.

Kriminalisieren bringt Probleme

Das deutsche System ist ähnlich, wobei die Nachschulungen "Aufbauseminare" heißen und der Führerscheinentzug länger dauert. Bei der medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) ist die Nichteignungsquote deutlich höher, sodass vielen Lenkern die Lenkberechtigung nicht wiedererteilt wird.

Für Ortner ist auch das kein wünschenswerter Zustand. "Ein Alkoholproblem ist eine Erkrankung und sollte nicht kriminalisiert werden. Längerdauernde Führerscheinentzüge wirken sich natürlich auf die Erwerbsfähigkeit aus und führen zu sozialen Schädigungen. Ziel sollte sein, dass das problematische Alkoholkonsumverhalten behandelt und der Lenker wieder in den Straßenverkehr integriert wird. Ohne Perspektive, ohne Arbeit und Aussicht auf den Führerschein fehlt auch ein Grund, die Flasche endgültig wegzustellen."

Artikel vom 6. Oktober 2010

 

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