Rauchentwöhnung: Was wirkt und was nicht

Während wirksame Rauchentwöhn-Programme langfristige Abstinenzen bis 40 Prozent erzielen, suchen viele Aufhörwillige in unseriösen Methoden ihr Heil. Das zeigen Experten am Deutschen Suchtkongress, der derzeit in Frankfurt stattfindet. "Rauchen ist die wichtigste vermeidbare Gesundheitsgefahr. Die Krankenkassen sollten wirksame Maßnahmen zur Raucherentwöhnung stärker fördern", fordert Suchtforscher Anil Batra, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Aktionskreises Tabakentwöhnung, im Interview.

Kriterien der Nikotinsucht

Schätzungen zufolge sind 60 Prozent der Raucher nikotinabhängig. Somit gibt es zwar sogar starke Raucher, die nicht abhängig sind und ihren Nikotinkonsum ohne Entzug regulieren können. Meist steigt jedoch mit der Dosis die Gefahr. "Was bei der Zigarette süchtig macht, ist der Inhaltsstoff Nikotin. Wie sehr das Gehirn darauf mit Abhängigkeit reagiert, dürfte jedoch auch von Genen bestimmt sein sowie von Botenstoffen und deren Rezeptoren." Für die Feststellung, ob man süchtig ist oder nicht, gilt dieselbe Kriterienliste wie bei Rauschgift-Abhängigkeiten. Mindestens drei von sechs Punkte davon müssen für die Suchtdiagnose erfüllt sein.

Batra erklärt, welche Kriterien das sind. "Dazu gehören erstens Entzugserscheinungen wie Konzentrations- und Schlafstörungen, Depressivität, Appetithemmung und Nervosität, zweitens die Toleranzsteigerung, bei der man für dieselbe Wirkung immer mehr Zigaretten rauchen muss. Zwang - etwa auf den Balkon zu Gehen - ist ein drittes Kriterium, ein viertes die Fortsetzung des Rauchens trotz körperlicher Probleme." Weitere Symptome sind die Organisation von Arbeit und Freizeit nach der Zigarette sowie Kontrollverlust.

Unseriöse Angebote

Mehr als jeder zweite Raucher möchte aufhören. Langfristig gelingt das ohne professionelle Hilfe nur drei bis sechs Prozent - am ehesten durch einschneidende Lebensereignisse. Viele Aufhörwillige gehen allerdings fragwürdigen Methoden auf den Leim: Drei von vier im Internet beworbenen Entwöhnprogrammen sind unseriös oder in der Wirksamkeit nicht bestätigt, zeigt eine Studie im Auftrag des Gesundheitsministeriums, darunter Handauflegen, Hypnose, Akupunktur sowie die elektronische Zigarette. "Keine unabhängige Studie beweist, dass die E-Zigarette wirkt", so der Entwöhnungs-Spezialist.

Entwöhnung für Körper und Geist

Die höchste Abstinenz - langfristig über 30 Prozent - zeigt die spezielle Verhaltenstherapie in Verbindung mit Nikotinersatztherapie. "Ist Sucht ein gelerntes Verhalten mit biologischer Mitwirkung, so verringern zunächst Nikotinpflaster, -kaugummis oder -tabletten in den ersten zwei bis drei Monaten nach Ausstieg das körperliche Verlangen, was Rückfälle fast ohne Nebenwirkung verhindert." Erfolgreicher sind nur die Wirkstoffe Bupropion und Varenicilin, die Ärzte jedoch aufgrund ihrer Risiken - Batra nennt hier Krampfanfälle oder Schwindel - ausschleißlich bei psychischer und körperlicher Eignung des Patienten verschreiben sollten.

Eine parallele Verhaltenstherapie - ob in Einzelberatung oder in Gruppen - übernimmt die Aufgabe, das angelernte Rauchverhalten zu überwinden. Inhaltlich geht es darum, eine vorhandene Motivation zum Aufhören zu fördern, dessen Vorteile deutlich zu machen, auf Ängste wie etwa die Gewichtszunahme einzugehen und Verhaltensänderungen zu unterstützen. "Zuerst muss erarbeitet werden, welche Funktion das Rauchen hatte. Dann gilt es, diesen Situationen aktiv zu begegnen - durch Neustrukturierung des Tagesablaufes, Entspannung oder Stressbewältigung."

Entwöhnung billiger als Tabaksteuer-Entfall

Die Vorteile von Rauchentwöhnung liegen auf der Hand: 140.000 vorzeitige Tode verursacht die Zigarette jährlich allein in Deutschland, wobei jeder Raucher im Schnitt zehn Lebensjahre verliert. Abhängige brauchen mehr Hilfe, fordert der Experte, ganz besonders Schwangere oder Menschen mit COPD- oder Herzinfarktrisiko. "Ärzte, Spitäler und Psychotherapeuten liefern viele gute Angebote, die Krankenkassen bezahlen Entwöhnung derzeit aber nur in Präventionsprogrammen. Eine Aufstockung ist dringend nötig - denn auch wenn es kurzfristig teurer kommt, spart der Staat damit langfristig viel Geld", so Batra.

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Artikel vom 30. September 2011

 

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