Oxytocin

Oxytocin (auch Ocytocin und im Deutschen manchmal auch Oxitozin genannt) ist ein Hormon und hat eine wichtige Bedeutung beim Geburtsprozess. Gleichzeitig beeinflusst es nicht nur das Verhalten zwischen Mutter und Kind sowie zwischen Geschlechtspartnern, sondern auch ganz allgemein soziale Interaktionen.

Das Neuropeptid aus der Gruppe der Proteohormone wird im Nucleus paraventricularis und zu einem geringen Teil im Nucleus supraopticus (beides Kerngebiete im Hypothalamus) gebildet. Von hier wird Oxytocin über Axone zum Hinterlappen (Neurohypophyse) der Hypophyse (deutsch: Hirnanhangdrüse) transportiert, zwischengespeichert und bei Bedarf abgegeben.

Struktur

Die Primärstruktur des humanen Peptids Oxytocin besteht aus neun Aminosäuren mit der Sequenz CYIQNCPLG. Die beiden Cystein-Reste bilden eine Disulfidbrücke. Die Struktur von Oxytocin ist sehr ähnlich dem Vasopressin, ebenfalls ein Nonapeptid (CYFQNCPRG) mit einer Disulfidbrücke, dessen Sequenz sich in zwei Aminosäuren unterscheidet.

Oxytocin und Vasopressin wurden erstmals 1953 von Vincent du Vigneaud isoliert und synthetisiert, wofür er 1955 den Nobelpreis für Chemie erhielt.

Physiologie

Oxytocin entsteht aus dem Präkursor-Protein Oxytocin-Neurophysin (106 Aminosäuren) durch Trennung von Peptidbindungen mittels der Proprotein-Convertase 1, wobei neben dem Oxytocin und dem Neurophysin (94 Aminosäuren) ein Tripeptid entsteht. Abgebaut wird Oxytocin wie auch Vasopressin, Angiotensin III und mehrere Enkephaline durch das Enzym Leucyl-Cystinyl-Aminopeptidase.

Ocytocin-Rezeptoren

Oxytocin-Rezeptoren befinden sich in verschiedenen Körpergewebearten, unter anderem in den Myoepithelzellen der Milchdrüsen, den Geweben der Geschlechtsorgane, der Nieren, des Herzens, des Thymus, der Bauchspeicheldrüse und in Fettzellen.

Physiologische Wirkungen

Oxytocin bewirkt eine Kontraktion der Gebärmuttermuskulatur (Myometrium) und löst damit die Wehen während der Geburt aus. Es wird im Rahmen der klinischen Geburtshilfe als Medikament in Tablettenform, als Nasenspray oder intravenös (sog. ?Wehentropf?) eingesetzt.

Darüber hinaus verursacht es die Milchejektion (Entleerung der Drüsenbläschen) durch Stimulation der sogenannten myoepithelialen Zellen der Milchdrüse.

Oxytocin verringert den Blutdruck und den Kortisolspiegel, wirkt sedierend und kann zu Gewichtszunahme und verbesserter Wundheilung führen. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Oxytocin durch Einwirkung auf die sogenannte HPA-Achse (hypothalamic-pituitary-adrenocortical axis) die Auswirkung von Stress verringert.

Aufgrund seiner weitgehend homologen Struktur zu Adiuretin kann Oxytocin in hohen Dosen dessen Wirkung haben.

Es bestehen Hinweise, dass Oxytocin regulierend auf das Wachstum neoplastischer Zellen einwirkt.

Verhaltenssteuerung

Neben diesen physiologischen Wirkungen nimmt Oxytocin auch Einfluss auf das Verhalten.

Bei Tieren

Bei der Milchkuh muss zur Entleerung des Euters durch des Saugen das Kalbs oder durch andere Reize, auf welche die Kuh konditioniert ist, das in ihrer Hirnanhangdrüse gebildete Oxytocin freigesetzt werden. Das Oxytocin bewirkt für fünf bis acht Minuten das Einschießen der Milch in die Milchzisterne des Euters, von wo sie durch die Melkmaschine abgesaugt oder beim händischen Melken durch die Finger ausgepresst werden kann.

Untersuchungen bei monogamen Präriewühlmäusen (Microtus ochrogaster) lassen vermuten, dass Oxytocin auch bei der Paarbindung eine Rolle spielt (vergl.: Kann Monogamie vererbt werden?). Im Gegensatz zu polygamen Bergwühlmäusen zeigen Präriewühlmäuse eine ausgeprägte, langfristige und paarweise Partnerbindung. Verschiedene Untersuchungen fanden eine kritische Rolle von Oxytocin bei der Ausprägung dieser Partnerpräferenz: Injizierte man Präriewühlmäusen einen Oxytocin-Antagonisten, so verhielten sich diese im Partnerverhalten ähnlich den polygamen Bergwühlmäusen und zeigten keine längerfristigen sozialen Bindungen mehr. Die Untersuchungen fanden, dass Oxytocin notwendig und hinreichend zur Ausprägung der Partnerpräferenz ist. Interessanterweise scheint es jedoch nicht die Menge an endogen ausgeschüttetem Oxytocin an sich zu sein, welche das soziale Bindungsverhalten beeinflusst, sondern die spezifische Ausbildung von Oxytocin-Rezeptoren im Gehirn. So unterscheiden sich die Rezeptorverteilungen im Gehirn von Prärie- und Bergwühlmäusen in charakteristischer Weise. Zudem zeigen Präriewühlmäuse ähnliche Rezeptorverteilungen wie eine andere monogame Spezies (Wiesenwühlmäuse). Weibliche Bergwühlmäuse, die nur in der Zeit unmittelbar nach der Geburt des Nachwuchses ein längerfristiges Bindungsverhalten zu ihren Nachkommen zeigen, weisen exakt in dieser Zeit eine Veränderung in ihrer Oxytocinrezeptorverteilung auf.

Beim Menschen

Oxytocin spielt perinatal eine wesentliche Rolle; so ist ein Anstieg der Dichte von Oxytocinrezeptoren im Gewebe des Uterus kurz vor dem Einsetzen von Geburtswehen zu beobachten.

Der Reflex der Milchejektion einer stillenden Mutter wird von der Oxytocinkonzentration gesteuert. Bereits wenn sie den Säugling schreien hört oder an das Stillen denkt, erfolgt eine Ausschüttung von Oxytocin. Das Neuropeptid erhöht nicht nur den Milchfluss beim Saugen des Säuglings, sondern beeinflusst ? zusammen mit dem Rückgang des Stress-Hormons Cortisol ? die Stimmung der Mutter: ?Es verschafft angenehme, manchmal sogar lustvolle Gefühle. (?) Diese emotionale Wirkung schafft vor allem eines: Sie verstärkt die emotionale Bindung der Mutter an das Kind.?

In der neurochemischen Forschung wird Oxytocin beim Menschen mit psychischen Zuständen wie Liebe, Vertrauen und Ruhe, aber auch defensive Aggression gegenüber Außenseitern in Zusammenhang gebracht. Diese Annahmen beruhen auf Experimenten, wie sie von Michael Kosfeld an der Universität Zürich durchgeführt wurden. Kosfeld ließ Probanden ein Investorenspiel mit echten Geldgewinnen durchführen, wobei bei einem Teil der Testpersonen durch ein Nasenspray ein erhöhter Oxytocinspiegel erzeugt wurde. Es zeigte sich, dass die Personen mit einem erhöhten Oxytocinspiegel mehr Vertrauen ihren Spielpartnern gegenüber an den Tag legten. Die Arbeitsgruppe von Beate Ditzen erforschte den Einfluss von Oxytocin, indem sie Ehepartner dazu aufforderte, ein Thema zu diskutieren, über das sie sich häufig streiten. Die Ergebnisse der Studie legen eine beruhigende und deeskalierende Wirkung des Neuropeptids nahe.

Die sexuell stimulierende Wirkung von Oxytocin ist bei Tieren wiederholt beschrieben worden, eine luststeigernde Wirkung wurde aber auch beim Menschen sowohl für Männer als auch für Frauen nachgewiesen. Die beim Orgasmus freigesetzten hohen Oxytocindosen bewirken danach eine Phase der Entspannung und Müdigkeit. ?Auf jeden Fall ist es vermutlich am Gefühl der engen persönlichen Verbundenheit nach einer befriedigenden sexuellen Begegnung beteiligt, so ähnlich wie es die Bindung zwischen der stillenden Mutter und ihrem Säugling verstärkt.? Zudem bewirkt ?die moderate Ausübung taktiler Reizung auf das Hautorgan in rhythmischen Abständen, mit anderen Worten: das Streicheln? eine Freisetzung von Oxytocin ?und führt zu einer Beruhigung und einem Wohlgefühl, das die Bindung der beteiligten Personen verstärkt.? Oxytocin wird bei angenehmen Körperkontakten wie Umarmungen und Zärtlichkeiten sowie Massagen ausgeschüttet, ebenso beim Singen. Forschungen deuten darauf hin, dass eine Freisetzung von Oxytocin durch angenehme Sinneswahrnehmungen wie Berührungen und Wärme, durch Nahrungsaufnahme, durch Geruchs-, Klang- und Lichtstimulation sowie durch rein psychologische Mechanismen ausgelöst werden kann, insbesondere infolge einer entsprechenden Konditionierung; im Gehirn wird es zudem bei Stress freigesetzt.

Die Forschungsergebnisse haben dazu geführt, dass Oxytocin in der Öffentlichkeit gelegentlich als Orgasmushormon, Kuschelhormon oder Treuehormon diskutiert wird. Tatsächlich ist die Signifikanz von Oxytocin für Fühlen und Handeln in zahlreichen Studien bestätigt, allerdings ist zu beachten, dass psychische Zustände wie zum Beispiel ?Liebe? keinen einheitlichen biologischen Phänomenen entsprechen.

Die vielfältigen Auslöser für eine Oxytocin-Ausschüttung werden als mögliche Erklärungen für die Wirkungsweise alternativer Heilmethoden wie Hypnotherapie und Meditation herangezogen.

Oxytocin ist auch Gegenstand der Forschung in der Psychologie bei der Erforschung von Sozialphobien und verwandten Störungsbildern. Neuesten Ergebnissen zufolge könnte das Hormon auch gegen Schizophrenie und Autismus wirken und bei Patienten für mehr Vertrauen sorgen.

Handelsnamen

Oxytocin ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz unter dem Namen Syntocinon im Handel erhältlich. In Deutschland gibt es auch noch einige Generika.

Vor dem 7. August 2008 war in Deutschland auch ein Oxytocin-Präparat als Nasenspray unter dem Namen Syntocinon im Handel. Dieses wurden vor Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes von 1978 registriert. Einem Nachzulassungsantrag des Herstellers wurde mangels nachgewiesener Prüfung auf Arzneimittelsicherheit und Begründung der therapeutischen Wirksamkeit nicht stattgegeben.


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