Etikettenschwindel beim Sekt

Deutsche Sekthersteller täuschen offenbar schon seit Jahren die Verbraucher. Sie verkaufen Sekt, der industriell hergestellte Kohlensäure in großen Mengen enthält. Das fanden TÜV-Prüfer im Auftrag von "Frontal 21" bei Stichproben heraus. Danach enthielt zum Beispiel die Marke "Schwarze Mädchentraube" 80 Prozent exogenes Kohlendioxid, "Schloss Munzingen" 59 Prozent und "Rotkäppchen" 32 Prozent.

Die Hersteller verstoßen damit gegen die EU-Verordnung 606/2009. Darin heißt es: "Das Kohlendioxid im Schaumwein darf nur aus der alkoholischen Gärung...stammen."  Sind also künstliche Kohlendioxid-Anteile in der Flasche, darf es laut EU-Verordnung nicht mehr "Sekt" heißen, sondern nur noch "Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure". Im Prinzip ist also nur Sekt, der mit "traditioneller Flaschengärung" hergestellt wird, frei von fremdem Kohlendioxid.

Norbert Schindler, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, spricht von "Vertrauensbruch" gegenüber den Verbrauchern: "Wenn man in einem teuren Verfahren die Natur grundsätzlich als Natur belässt, erwartet der Verbraucher, wenn er drei, vier, fünf Euro mehr ausgibt oder auch nur zweieinhalb Euro, dass er eine bestimmte Qualität dann auch genießen darf. Wenn diese verfälscht wurde durch künstliche Zusätze, dann erwartet der Verbraucher mit Recht, dass dieser Umstand schnellstens abgestellt wird und die Überschreiter solcher Vorschriften auch geahndet werden. Es geht um Vertrauensschutz in ein Naturprodukt!"

Der Verband Deutscher Sektkellereien weist die Kritik zurück. Geschäftsführer Ralf Peter Müller: "Es ist überhaupt keine Verbrauchertäuschung." Der Verbraucher interessiere sich nicht für "Exkurse zu Isotopenverhältnissen in Kohlensäure".

Rund 400 Millionen Flaschen des so genannten "Qualitäts-Schaumweins" werden jährlich produziert, meist in riesigen Gär-Tanks. Dabei kommt es offenbar zu unerlaubten Vermischungen von natürlicher und künstlicher Kohlensäure. Christa Klaß vom Ausschuss für Lebensmittelsicherheit des EU-Parlaments bestätigt: "In der Europäischen Weinmarktordnung ist ganz klar die Definition von Sekt geregelt. Und das heißt, man darf für dieses Abfüll-Verfahren mit externer Kohlensäure arbeiten. Aber diese Kohlensäure darf nicht in die Flasche hineingelangen."

Dagegen verstoßen deutsche Sekthersteller schon seit Jahren - mit Wissen der zuständigen Ministerien. Das geht aus einer Vereinbarung zwischen dem Deutschen Sektverband und den Verbraucherministerien von Bund und Ländern hervor, die "Frontal 21" vorliegt. Nach dem so genannten "dynamischen Minimierungskonzept" verpflichten sich die Hersteller zwar, den Anteil von Fremdkohlensäure jährlich um einige Prozentpunkte zu verringern, die Vermischung hält man aber für "technisch unvermeidbar" und verkauft derartige Flaschen weiter als Sekt.

Experten werten das als Rechtsbruch und werfen der Politik vor, sie verstoße systematisch gegen die EU-Verordnung. Professor Ingolf Pernice von der Humboldt-Universität Berlin: "Wenn die Ministerien argumentieren, dieses Hinzufügen des externen Kohlendioxids sei unvermeidbar, dann ist die Konsequenz, dass man das Gesetz ändert oder dass man die Öffentlichkeit darüber informiert, dass da externes Kohlendioxid drin ist, nicht aber einfach darüber hinweggeht und so tut, als wäre alles in Ordnung."

ZDF
Artikel vom 12. Januar 2010

 

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