Mexikos Drogenkrieg raubt Jugend Perspektive

Die Jugend an Mexikos Nordgrenze hat angesichts des Drogenkrieges im Land weder Berufsperspektiven noch Modelle positiver Lebensentwürfe. Das berichtet Raul Curiel Ruvalcaba, Leiter des "Proyecto Salesiano Tijuana" in der nordwestlichsten Stadt Mexikos. Was sein Projekt mit sechs Jugend- und Gemeinschaftszentren in Armenvierteln gegen die Ausweglosigkeit unternimmt, erklärt der Ordenspriester bei seinem Wienbesuch auf Einladung der Organisation "Jugend Eine Welt", die das Projekt finanziell und durch Entsendung von Volontären unterstützt.

Keine Jobs für Uni-Absolventen

Das Zukunftsproblem beginnt bereits bei der Bildung: Einzelnen Besserungen bei Grund- und Mittelschule zum Trotz meistert nur jeder hunderste Jugendliche in Tijuana die Universität. Das hat seine Gründe: "Viele mit Uniabschluss landen in den Fließbandfabriken der Stadt, da es kaum qualifizierte Arbeitsplätze gibt", sagt Curiel. Die "Maquiladoras", wie die 800 Fertigungsbetriebe Tijuanas heißen, bieten Wochenlöhne von maximal 1.200 Pesos (68 Euro), rechnet man Überstunden und Essensgutscheine hinzu. Mit zwei dieser Gehälter kommt ein Zwei-Personen-Haushalt knapp über die Runden.

Viele Fabrikarbeiter verloren infolge der jüngsten Rezession in den USA ihre Jobs. Zudem ließ die Verschärfung der Einwanderergesetze mehrerer US-Bundesstaaten die Zahl jener sprunghaft ansteigen, die im nördlichen Nachbarland ohne Papiere aufgegriffen und in Mexikos Grenzstädte deportiert wurden. Profit schlagen daraus Drogenkartelle, die an dem Berührungspunkt zwischen Lateinamerika und den USA als Drogenkonsument Nummer Eins allgegenwärtig sind: Der Personenkreis jener, aus dem sie durch Versprechen von Schutz und Geld rekrutieren, erweitert sich somit über die Jugendbanden und Kleinkriminellen hinaus.

Berufswunsch Narco

Das Fehlen ökonomischer Perspektiven und der Alltag der Stadt hinterlassen tiefe Spuren in der jungen Generation. "Es fehlt an positiven Vorbildern. Fragt man Schulkinder in den ärmeren Stadtviertel nach ihrem Berufswunsch, wollen die meisten Narcos (Drogendealer) oder Polizisten werden", berichtet der Priester vom Orden der Salesianer Don Boscos. Beide Optionen unterscheiden sich kaum: Narcos gelten als reich, angesehen und mächtig, Polizisten als Narcos mit Uniform. Bestätigung dafür liefern etwa die medialen Schlagzeilen oder die Texte der "Narcocorridos" - Balladen, in denen Norteño-Bands im Polka-Rhythmus das Leben der Narcos besingen.

Werte und Persönlichkeit schulen

Gegen diese Realität anzukämpfen ist schwierig. Das "Proyecto Salesiano" als eine der größten Sozialinitiativen Tijuanas tut dies seit 1987 mit Bildungs- und Freizeitangeboten in sechs Jugendzentren (Oratorien). "Wir sind kein Problemlöser und Versuche, die Situation durch Berufskurse zu bessern, sind gescheitert. Was wir jedoch bieten, sind geschützte Orte, an denen Kinder und Jugendliche ihre Persönlichkeit festigen und Werte, Talente, Perspektiven sowie eine positive Lebenseinstellung entwickeln", erklärt Curiel. Eine Fußballliga für 1.500 Kinder, Kurse für Alphabetisierung und für den zweiten Bildungsweg, ein Kulturprogramm sowie auch religiöse Angebote tragen dazu bei.

Das Potenzial für eine Positiventwicklung sei in Mexiko jedenfalls gegeben, glaubt der Tijuana-Experte, hat es das mittelamerikanische Land doch zur heute 13.-größten Wirtschaftsmacht geschafft und in der Verwaltung und Infrastruktur gegenüber früher viel aufgeholt. Dennoch besteht die Armut fort, zudem sorgt der Drogenkrieg - den Curiel als "realen Krieg" bezeichnet - für große Unsicherheit. Eine Überwindung gelinge Mexiko erst dann, "wenn die USA als Empfängerland ihr Drogenproblem in den Griff bekommt. Bis dorthin wird weiterhin das Leben vieler Mexikaner geopfert." 

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Artikel vom 12. Juni 2012

 

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