UN-Drogenstrategie in heftiger Kritik

Heftige Kritik an der gültigen UN-Drogenstrategie üben Vertreter der "European Coalition for Just and Effective Drug Policy" (ENCOD). Die Taktik, durch eine einzige Konvention dem Problem von Drogenmissbrauch und -kriminalität beizukommen, sei veraltet, ineffizient und kontraproduktiv. Besser sei eine Strategie, die den einzelnen Ländern mehr Entscheidungsspielraum zugesteht, erklärt die Plattform heute am 25. März 2011 in einer Pressekonferenz anlässlich der 54. Jahrestagung der UN-Suchtmittelkommission (CND).

Drogenindustrie in der Spitzenliga

Probleme und Reformbedarf der bereits seit 50 Jahren gültigen "Single Convention" gab zuletzt auch der frisch gewählte Chef des der CND übergeordneten UNO-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, Yury Fedotov, zu. Die globale Opiumproduktion stieg seit 1998 um 80 Prozent und der internationale Drogenmarkt wird auf 320 Mrd. Dollar pro Jahr geschätzt - womit er den Weltrang 30 aller Industrien einnimmt. Dennoch sei die Konvention der Mechanismus, der noch am ehesten mit dem Problem der globalen Bedrohung durch Drogen und Kriminalität zurechtkomme.

"Wertlos" ist die Konvention und ihr Prohibitions-Ansatz hingegen für die ENCOD. Eine lange Liste schlimmer Folgen gehe nicht auf die Drogen selbst, sondern auf deren Prohibition zurück. Erst durch diese sei der Drogenhandel ein Monopol krimineller Gruppen und zudem Drogen leicht zugänglich sogar für Kinder geworden. "Staaten, die den Gebrauch, die Produktion und teils sogar die Weitergabe legalisiert haben, reduzierten damit messbar den Schaden für die Gesellschaft. Die Single Convention verhindert jedoch die volle Umsetzung derartiger Maßnahmen", so der niederländische Psychiater und ENCOD-Sprecher Frederic Polak.

Traditionen und Medizin im Nachteil

Die Bedingungen der Länder und Kulturen seien zu unterschiedlich, als dass ihnen ein einziges Kontrollsystem gerecht werden könnte. "Man sollte den Ländern eine jeweils eigene Regulierung erlauben", erklärt Polak. Wie wenig die Konvention manchen Kontexten entspricht, verdeutlicht Beatriz Negrety Condori, Sprecherin der Coca-Bauern Boliviens. "Die Industrieländer des Nordens sollten die Völker im Süden mehr berücksichtigen. Obwohl der verantwortungsvolle Gebrauch des Coca-Blattes in Bolivien alte Tradition ist, stigmatisiert die Konvention die Cocabauern und macht sie zu Kriminellen."

Die Prohibition erschwert schließlich auch die Verwendung von Drogen in der Medizin. So fehlt etwa in Österreich bisher noch die gesetzliche Grundlage für die Verwendung der natürlichen Hanfpflanze, erklärt der Wiener Arzt Kurt Blaas, Obmann der AG "Cannabis als Medizin". Cannabis boome in der Medizin, wobei der Trend in Richtung Behandlung von Patienten mit mehreren Leiden gleichzeitig weise, bei denen die Schulmedizin versagt. Auch wenn das synthetische Cannabis-Monopräparat Dronabinol mittlerweile zugelassen ist, hätten viele Ärztekollegen noch immer Angst vor dessen Einsatz, was Blaas als "nicht begründbar" sieht.

Änderungen dauern Jahrzehnte

Dass sich die CND-Position zur "Single Convention" bis zum heutigen Sitzungsende ändert, halten die Experten aufgrund der Ablehnung vieler Staaten für unwahrscheinlich. Fortschritte könnten es laut Polak allein in der bisher fehlenden Regelung der Verhandlungs-Mitsprache der Zivilgesellschaft geben. Michael Krawitz, Direktor der US-amerikanischen "Veterans For Medical Cannabis Access", setzt auf den Faktor Zeit. "Die Mühlen der UN-Drogenpolitik mahlen langsam. Nach einer Ära des Kampfes gegen Drogenkonsum folgte jener gegen das Drogenangebot und heute die Schadensminimierung. Änderungen dauern Jahrzehnte und erfordern kleine, doch ständige Schritte."

Artikel vom 25. März 2011

 

Navigation

Pfad: Startseite  >  Suchtmittel
Suchformular

Themen

Unterstütze uns

Dieses Informationsangebot benötigt Zeit und Geld, um ausgebaut und betrieben zu werden. Spende jetzt 5 €, 10 € oder wieviel Du auch aufwenden magst, um Suchtmittel.de zu erhalten!
Zur Spendenseite...