Tabakindustrie

Die Tabakindustrie umfasst Unternehmen, die Zigaretten, Zigarren, Rauchtabak, Schnupftabak oder Snus herstellen. Dieser Wirtschaftszweig wird stark dominiert durch weltweit tätige Konzerne oder Betriebe mit einem staatlichen Monopol.

Weltweit waren 1999 ungefähr zwei Millionen Personen in der Zigarettenindustrie und den Zulieferfirmen beschäftigt. Über zwei Drittel aller Arbeitsplätze befanden sich in China, Indien und Indonesien. Die drei grössten multinationalen Tabakkonzerne hatten 2003 etwas mehr als 100.000 Arbeitnehmer.

Justizverfahren

Seit den 50er-Jahren wurden in fast 40 Staaten Haftungs- und Strafprozesse gegen die Tabakindustrie geführt, die meisten davon in den USA. Diese Prozessflut hält weiter an. Zur Zeit sind beispielsweise gegen Philip Morris in den USA über 400 Fälle hängig, während Philip Morris International in allen andern Staaten in etwas über 150 Fällen als Beklagte Prozesse führen muss.

Justizverfahren von Behörden

US-Bundesstaaten führten in den 1990er Jahren zahlreiche Schadenersatzprozesse gegen die Tabakindustrie. 1998 einigten sich 40 US-Bundesstaaten, der District of Columbia und fünf US-amerikanische Territorien mit der US-Tabakindustrie auf ein Master Settlement Agreement [1]. Im Hauptpunkt verpflichtete sich die US-Tabakindustrie, den Klägern während 25 Jahren mehr als 200 Milliarden US Dollars zu leisten. Dafür verzichteten die Bundesstaaten auf die Einreichung weiterer Klagen.

Die US-Regierung machte 1999 gegen die Tabakindustrie eine Zivilklage anhängig. Die Klage stützt sich auf ein Gesetz von 1970, das damals zur Bekämpfung der Mafia erlassen wurde. Sie wirft der Tabakindustrie vor, die Öffentlichkeit über die Abhängigkeit des Nikotins und die Gesundheitsgefahren des Rauchens absichtlich getäuscht zu haben. Die Dokumente der Tabakindustrie [2] sollen beweisen, daß die angeklagten Firmen seit Anfang der 1950er Jahre eine Art kriminelles Kartell gebildet haben, um Zigarettenkonsumierende zu täuschen. Alle Gewinne und Zinsen, insgesamt 280 Milliarden US-Dollar, welche die Tabakindustrie seitdem gemacht hat, verlangt die US-Regierung zurück.

Dieser Zivilprozess der US-Regierung gegen die Tabakindustrie wurde am 21. September 2004 eröffnet. Die Zulässigkeit der Gewinnabschöpfung wurde am 4. Februar 2005 vom United States Court of Appeals for the District of Colombia Circuit in einem Zwischenentscheid verneint. Gegen dieses Urteil hat die US-Regierung beim Supreme Court of the United States am 18. Juli 2005 eine Revision verlangt. Dieses Begehren wurde am 17. Oktober 2005 vom Supreme Court abgewiesen. Der aktuelle Prozessstand wird täglich unter [3] und als Zusammenfassung unter [4] dokumentiert.

Die Europäische Gemeinschaft und 10 EG-Mitgliedstaaten hatten verschiedene Klagen gegen Philip Morris International (PMI) wegen Zigarettenschmuggel geführt. Auf der andern Seite strengte PMI gegen die Europäische Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof ebenfalls ein Verfahren an. Alle bestehenden Rechtsstreitigkeiten wurden am 9. Juli 2004 mit dem Abschluss einer mehrjährigen Vereinbarung über ein wirksames System zur Bekämpfung von Zigarettenschmuggel und Zigarettenfälschungen beendet.[5] Die Vereinbarung sieht Zahlungen von PMI vor. Ihre Höhe hängt von verschiedenen Faktoren ab und könnte über 1250 Millionen US-Dollar in einem Zeitraum von 12 Jahren betragen.

Justizverfahren in Europa von Privatpersonen

Erst seit wenigen Jahren werden auch an europäischen Gerichten Schadenersatzklagen von Rauchern oder ihren Angehörigen eingereicht. Die erste Klage eines Rauchers in Deutschland gegen Reemtsma auf Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen Gesundheitsschädigung wurde 2003 vom Landesgericht Arnsberg abgewiesen. Das Oberlandesgericht Hamm wies die Berufung des Klägers 2004 ab.

ETI (heute BAT Italia) wurde im März 2005 durch die Zivilkammer des Römer Appelationshofes zu Schadenersatzleitung verurteilt. Das Gericht verurteilte den Zigarettenhersteller zur Zahlung von 200.000 Euro an die Angehörigen eines 1991 verstorbenen Rauchers. Sie hatten geklagt, weil ETI vor Einführung der Warnhinweisplicht nicht ausreichend über die Risiken des Rauchens informiert habe.

Das Römer Arbeitsgericht sprach im Mai 2005 den Angehörigen einer verstorbenen Passivraucherin 400.000 Euro zu. Sie hatte während 7 Jahren beim Bildungsministerium im gleichen Büro wie drei starke Raucher gearbeitet. Ihre Gesuche, sie auf einen rauchfreien Arbeitsplatz zu versetzen, wurden mehrmals abgelehnt. Das Gericht anerkannte, das Passivrauchen genau so wie Rauchen Krebs verursachen kann und hiess deswegen ihre Klage gut.

Lobbyismus

Über den Lobbyismus der Tabakindustrie war bis in die 1990er Jahre wenig bekannt. Über in der Öffentlichkeit nicht bekannte Einflüsse auf Personen aus Politik, Wirtschaft und Medien wurde spekuliert, doch fehlte es an Zeugen oder Dokumenten, die dies beweisen konnten. Dies änderte sich erst 1994, als Stanton Glantz, University California, in den Besitz von 10.000 internen Dokumenten der Tabakkonzerne Brown & Williamson und BAT kam. 1998 wurde die US-Tabakindustrie zudem im Verlauf eines Haftungsprozesses zur weiteren Herausgabe von Dokumenten gezwungen. Die US-Öffentlichkeit war empört, als sie von den nicht veröffentlichten Forschungsresultaten über die Gefahren des Rauchens und Passivrauchens sowie der Nikotinabhängigkeit erfuhr.

Bisher musste die Tabakindustrie über 40 Millionen Seiten Dokumente öffentlich zugänglich machen. Sie sind so umfangreich, dass sie noch nicht alle ausgewertet werden konnten. Es lässt sich trotzdem aufzeigen, dass die wichtigsten Ziele der Tabakindustrie die Einflussnahme auf die Steuergesetzgebung, die Verhinderung eines Werbe- und Sponsoringverbotes für Tabakprodukte und das Verharmlosen der Gesundheitsgefährdung durch Passivrauchen waren.

Das Vorgehen der Tabakindustrie war in allen Staaten ähnlich: Politiker, Wissenschaftler und Journalisten wurden durch Aufträge, Beraterverträge, Einladungen zu Konferenzen und Sponsoring von Anlässen dafür belohnt, dass sie sich für die Anliegen der Tabakindustrie instrumentalisieren liessen. Der Einfluss der Tabakindustrie auf die schweizerische[6] und deutsche Politik in den 1980er- und 1990er-Jahren konnte aufgrund dieser Dokumente analysiert und belegt werden.

Die Bezahlung von Wissenschaftlern wurde in der sog. "Affäre Rylander" offengelegt. [7]. Von einer Ermittlungskommission der Universität Genf, Schweiz, wurde 2004 festgestellt, dass ihr emirierter Wissenschafter, R. Rylander, nicht als ein von der Tabakindustrie unabhängiger Forscher betrachtet werden kann, da er in seiner Rolle als Consultant dauerhafte und weitestgehend geheim gehaltene Verbindungen mit ihr unterhielt.[8] Ein kantonales Strafurteil gegen zwei Wissenschafter, welche der Ehrverletzung von Rylander bezichtigt wurden, hatte das Schweizerische Bundesgericht bereits 2003 aufgehoben.[9]

Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit

Im November 2005 wurde der ''Reader's Digest Europe Health Survey 2005'' () publiziert. In 13 Ländern wurde nach der Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit von 15 Industrien gefragt. Die Tabakkonzerne landeten im 15. und letzten Rang mit 6% der Antwortenden, welche diese Industrie als völlig oder ziemlich vertrauenswürdig und ehrlich einstuften. Die Rangliste: Apotheken 65%, Fluggesellschaften 34%, Autoindustrie 29%, Krankenversicherungen 26%, Banken und Finanzinstitute 26%, Pharmaindustrie 25%, Supermärkte 25%, Medien/Presse 21%, Ferienreisen-Veranstalter 20%, Nahrungsmittelindustrie 18%, Lebensversicherungen 18%, Telefongesellschaften 18%, Ölkonzerne 8%, Alkoholindustrie 7%, Tabakkonzerne 6%.

Die deutsche Tabakindustrie hat sich in einer freiwilligen Selbstbeschränkungsvereinbarung gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit (BMGS) verpflichtet, in der Nähe von Schulen und Jugendeinrichtungen keine Tabakwerbung zu präsentieren, und keine Tabakwarenautomaten aufzustellen. Sämtliche diese Vereinbarung verletzenden Tabakwarenautomaten sollten bis Ende 1997 von den Automatenaufstellern abgebaut werden. Dennoch verstoßen auch im Jahr 2004 im gesamten Bundesgebiet noch Tausende Zigarettenautomaten gegen diese Vereinbarung.

Tabakkonzerne

Die größten weltweit tätigen Tabakkonzerne sind (Umsatz und Anzahl Zigaretten im Jahr 2003 aufgrund Konzernzahlen):

  • Philip Morris (PMI; V.S.v.A.); (33 Mrd. US-Dollar, 736 Mrd.)
  • British American Tobacco (BAT; GB); (11 Mrd. Pfund, 792 Mrd.)
  • Japan Tobacco (JT; Japan); (37 Mrd. US-Dollar, 423 Mrd.)
  • Altadis (Frankreich und Spanien); (1.7 Mrd. Euro, 100 Mrd.)
  • R.J. Reynolds Tobacco (V.S.v.A.)

Regional tätige Konzerne sind:

  • China National Tobacco Co. (CNTC; China)
  • PT Gudang Garam (Indonesien)
  • Tekel (Türkei)
  • ITC (Indien)
  • Fortune Tobacco Co. (Philippinen)
  • Austria Tabak (Österreich)

Zulieferbetriebe:

  • Hauni Maschinenbau AG
  • GD aus Bologna
  • Heinrich Burghart GmbH
  • Rhodia
  • Focke & Co

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