Ist es immer nur der Schlankheitswahn?

Sie rechnen sämtliche BMI?s der Stars und Sternchen aus, kaufen sich etliche Modezeitschriften und stehen den ganzen Tag entweder vor dem Spiegel oder auf der Waage. So werden Magersüchtige dem Klischee nach häufig charakterisiert. Doch liegen die Ursachen nicht viel tiefer als nur im oberflächlichen Nacheifern eines Ideals, das eigentlich keines sein sollte?

Magersüchtige definieren ihren Erfolg über Gewichtsverluste und ein Minimum an Nahrung.
Magersüchtige definieren ihren Erfolg über Gewichtsverluste und ein Minimum an Nahrung.

Die vermeintlich typische Magersüchtige ist jung, pubertär und hat den Traum Model zu werden. Hört man Magersucht assoziiert man direkt das Modelbuisness. Auch die Medien schlagen in dieselbe Kerbe. Jedoch hat Magersucht vielfältigere Ursachen als den bloßen Wunsch nach Dünnsein.

Oftmals ist das Eintreten einer neuen Lebenssituation bzw. die Beendigung eines Lebensabschnitts der Beginn einer Essstörung. Pubertät, Schulabschluss aber auch Ereignisse wie die Scheidung der Eltern die nicht beeinflusst werden können, bringen ein Gefühl des Kontrollverlusts mit sich, der durch das Quälen und Beherrschen des Körpers zu kompensieren versucht wird. Indem die Betroffenen ihren Körper unter Kontrolle haben und sehr restriktiv handeln, bekommen sie ein Gefühl der Sicherheit. Während ihnen andere Lebensbereiche aus den Händen zu gleiten drohen, finden sie im Hungerstreik ein Ventil.

Körperbild

Begleitet wird die Magersucht durch die Körperschemastörung, die Ursache dafür ist, dass der Körper nicht real wahrgenommen werden kann und die Betroffenen sich stets als zu dick empfinden auch wenn sie sich bereits im Bereich des Untergewichts befinden. Das gestörte Körperbild geht oft mit einem Vermeidungsverhalten einher. Ein ungezwungener Schwimmbadbesuch ist so kaum noch möglich, aus Angst, die anderen könnten über den eigenen Körper lachen. Die Blamage scheint so wahrscheinlich, dass die Betroffenen der unangenehmen Situation lieber aus dem Weg gehen als sich mit ihr zu konfrontieren.

Der Körper erreicht so einen Stellenwert im Leben, dass sämtliche Aktivitäten vom Gewicht abhängig gemacht werden. Allerdings ist auch dies ein Fass ohne Boden, denn auch wenn das ursprüngliche Zielgewicht schon längst erreicht ist, finden die Betroffenen immer noch Körperpartien, die nach Perfektion verlangen.

Perfektionismus

Magersüchtige sind Menschen mit hohen Ansprüchen an sich selbst, mit Ehrgeiz, Disziplin und einem starken Willen. Den vermeintlichen Kontrollverlust, wenn unbeeinflussbare Dinge aufgetreten sind, kompensieren die Betroffenen mit der Essstörung. Hier können sie mittels ihres starken Willens demonstrieren, dass sie etwas können, dass sie nicht nutzlos sind. Magersüchtige definieren ihren Erfolg über Gewichtsverluste und ein Minimum an Nahrung ? selbst ein Apfel zu viel kann da zur Katastrophe werden.

Und genau hier setzen viele Therapien an: durch was kann die Magersucht ersetzt werden? Durch das Herausarbeiten der eigenen Stärken und Fähigkeiten wird versucht, den Betroffenen ein neues Kontrollinstrument in die Hand zu geben über das sie sich definieren können und die Magersucht so mehr und mehr in den Hintergrund zu drängen. Die individuellen Ursachen zu verstehen und aufzuarbeiten sind dabei genauso Bestandteil einer Therapie wie die Erkenntnis, dass Untergewicht weder beliebter noch erfolgreicher geschweige denn glücklicher macht.

Conny Zeiser
Artikel vom 3. Juli 2010

 

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