Mottenkugeln machen high

Lionel Feuillet, Arzt im Hôpital La Timone im französischen Marseille, hat eine neue Droge entdeckt: Mottenkugeln. Die Kugeln enthalten die Substanz Paradichlorbenzol (PDB), die zur Abtötung von Mottenlarven angewendet wird. Doch zugleich ist PDB sehr süchtig machend und kann Leber- und Nierenversagen sowie ernsthafte Blutarmut zur Folge haben.

"PDB gehört zu der Familie der aromatischen Kohlenwasserstoffe - eine Reihe von flüchtigen Substanzen, die häufig missbraucht werden", so Feuillet in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift New England Journal of Medicine. Der Arzt identifizierte Mottenkugeln als Droge, als er eine 18-jährige Frau in Behandlung bekam. Sie wies schuppige Haut auf ihren Händen und Beinen auf, war mental labil und träge. Zunächst war ihr Gesundheitszustand Feuillet ein Rätsel, zumal ihre Zwillingsschwester - zwar in milderer Form - die gleichen Symptome zeigte.

Erst nach einigen Tagen entdeckte der Arzt die Ursache. Das Mädchen hatte in ihrem Zimmer einen Sack mit Mottenkugeln versteckt, in dem sie in unbewachten Momenten ihre Nase steckte und inhalierte. Auch hatte sie zwei Monate lang täglich auf einer halben Mottenkugel gekaut. Die Patientin brauchte sechs Monaten um sich völlig zu erholen. Ihre Schwester, die nur ein paar Wochen geschnüffelt hatte, brauchte drei Monate.

Feuillet sind nur drei Fälle von Mottenkugelnsucht bekannt. "Da Jugendliche im Allgemeinen leugnen, an Selbstvergiftung zu tun, wird die Frequenz dieser Freizeitaktivität jedoch wahrscheinlich gewaltig unterschätzt", meint er. Er hält es deshalb für wichtig, dass Ärzte sich mehr mit durch Missbrauch flüchtiger Substanzen ausgelösten Symptomen auseinandersetzen. "Missbrauch solcher Substanzen unter Jugendlichen ist ein wichtiges Volksgesundheitsproblem", so Feuillet.

Auf Nachfrage von pressetext erklärt Rolf Hüllinghorst, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V., dass ihm in Deutschland keine Fälle von Mottenkugelnsucht bekannt seien. Er kann ebenso wenig bestätigen, dass der Missbrauch flüchtiger Substanzen zu wenig Beachtung finde. "In Deutschland haben wir alles gut im Fokus", so Hüllinghorst. Ein viel größeres Problem bildet seiner Ansicht nach der Missbrauch von legalen Substanzen wie etwa Cannabis. "Wenn ein neues Suchtmittel auftaucht, schauen alle darauf. Damit wird das größere Problem des ständigen Missbrauchs aus dem Fokus der Aufmerksamkeit verdrängt." Ein kleiner Lichtblick: "Beim Auftauchen eines neuen Suchtmittels wird der Suchtproblematik wieder Aufmerksamkeit geschenkt", so Hüllinghorst.

Artikel vom 28. Juli 2006

 

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