Kaufsucht ist nicht heilbar

Forschern der Universität Erlangen ist es in Deutschland erstmalig gelungen, die Wirksamkeit einer Therapie gegen Kaufsucht wissenschaftlich nachzuweisen. Dabei wurden zwischen November 2003 und Mai 2007 insgesamt 51 Frauen und neun Männer mit einer an der University of North Dakota entwickelten kognitiv-verhaltenstherapeutischen Gruppentherapie behandelt.

"Bei über der Hälfte konnten wir eine massive Verbesserung der Kaufsuchtsymptomatik nach der dreimonatigen Therapie feststellen", erläutert Martina de Zwaan, Leiterin der Psychosomatischen und Psychotherapeutischren Abteilung der Uni Erlangen. Zudem wiesen die Forscher nach, dass Kaufsucht, wie Alkoholmissbrauch, keine wirklich heilbare Krankheit ist. Man könne nur die Symptome abmildern, jedoch niemals den Drang zum Einkaufen ganz unterdrücken.

In Deutschland sind mehr als sieben Millionen Menschen kaufsuchtgefährdet. "Nichtsdestotrotz wird die Krankheit, die im Fachjargon pathologisches Kaufen genannt wird, noch immer bagatellisiert", so de Zwaan. Neben dem zwanghaften Drang Einkaufen zu gehen, leiden die meisten Betroffenen zudem noch unter Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen, Alkoholmissbrauch oder Essstörungen. "All das führt bei ihnen und bei ihren Familien zu einem enormen Leidensdruck", erklärt de Zwaan. Die Erlanger Wissenschafter wandten eine Gruppentherapiemethode an, bei der immer sechs bis acht Patienten zusammen behandelt wurden.

"Der wichtige Ansatzpunkt war, dass sich die Patienten erst einmal darüber bewusst wurden, wie viel Geld sie überhaupt am Tag, in der Woche ausgeben", erläutert de Zwaan. Zu diesem Zweck mussten alle Teilnehmer eine detaillierte Auflistung ihrer Ausgaben anfertigen. Erst in einem zweiten Schritt sei dann in der Gruppe darüber gesprochen wurden, welcher der Einkäufe notwendig und sinnvoll war. "Es fällt den Patienten enorm schwer zu verstehen, welches notwendige und welches unnötige Einkäufe sind", erklärt de Zwaan weiter. Dadurch, dass sie von Gleichgesinnten umgeben waren, sei ihnen diese Unterscheidung jedoch einfacher gefallen.

Erstmalig konnten die Forscher zudem nachweisen, dass auch der soziale Kontakt zum Verkäufer und die Interaktion mit diesem einen entscheidenden Einfluss auf das Kaufverhalten haben. "Die Fachgespräche mit dem Verkäufer geben den Patienten förmlich einen Kick, steigern das Selbstwertgefühl und bestärken sie darin, weiterhin einkaufen zu gehen", sagt de Zwaan. Jedoch sei dies nur ein Symptom der Krankheit und kein auslösender Grund. Als solche machten die Wissenschaftler hingegen langfristigen Stress und Druck, sei dies zu Hause, bei der Arbeit oder im Freundeskreis, aus. "Die Erkrankten entziehen sich durch das Einkaufen diesem Stress und schaffen sich so eine Befriedigung", erklärt de Zwaan. Ähnlich wie bei Kleptomanen, die ihre gestohlenen Sachen nicht anrühren, ist der gekaufte Gegenstand auch für Kaufsüchtige nicht von Interesse. "Sobald bezahlt ist, ist der Kick weg und die Sachen verschwinden zu 99 Prozent in einer Ecke oder werden verschenkt", so de Zwaan.

Um diesem Verhalten entgegenzuwirken wird mit den Patienten in der Gruppe nach Ersatzbefriedigungen gesucht. "Wenn es Stress bei der Arbeit gibt, dann sollen sie sich klar machen, dass es besser ist, mit Freunden einen Kaffee trinken zu gehen, als einzukaufen", betont de Zwaan. Sie wies aber gleichzeitig darauf hin, dass die Ersatzbefriedigung nicht immer mit sozialen Kontakten verbunden sein muss. Denn wenn diese nicht greifbar sind, kann kein Ausgleich zum Einkaufen gefunden werden. Von daher rät sie Betroffenen möglichst viele Ausgleichsvarianten in petto zu haben. Ob kochen, Schwimmen gehen oder lesen, sei dabei egal.

Artikel vom 23. Juli 2008

 

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